Der Hägendörfer Raphael Flury (rechts) handelt mit Gewürzen aus den Wäldern Tansanias. Bild: zvg
Eigentlich ist der Hägendörfer Raphael Flury Jurist. Doch 2017 wanderte er nach Sansibar aus. Er gründete den ersten bio-zertifizierten Betrieb und will nichts weniger als den globalen Gewürzhandel verändern.
«Wir freuen uns über das grosse Interesse und den Zuspruch.» Der Onlineshop von 1001 Organic wird seit Wochen mit Anfragen überrannt. Grund dafür ist der kürzlich erschiene SRF-Dokfilm «Vom Juristen zum Gewürzhändler». Dabei wird die Arbeit des Hägendörfer Gewürzhändlers Raphael Flury verfolgt.
Flury ist vor 2017 mit einer Vision nach Sansibar ausgewandert. Sein Ziel: den globalen Gewürzhandel zu modernisieren. In Sansibar angekommen, hat er gemerkt, dass ihm der traditionelle Gewürzhandel nicht zusagt. Der Markt war von Händlern dominiert, die Lieferketten intransparent und die Produkte nicht erntefrisch.
Die Kleinbauern im ländlichen Sansibar, welche die Gewürze anpflanzen, sahen nur einen Bruchteil der Erlöse. «Die gängige Praxis entsprach nicht meiner Vision und ich wollte es mit einem direkten und transparenten Ansatz probieren», sagt der 33-Jährige.
Viele Gewürze, aber keine Kundschaft
Wir erreichen den gelernten Juristen an einem Mittwochmorgen in seinem Büro in Sansibar Stone Town, der historischen Altstadt Sansibars, wo der Hägendörfer vor sieben Jahren sein Gewürz-Abenteuer startete.

Flury erinnert sich zurück an seine ersten Schritte: «Ich hatte ein Lager voller Gewürze – aber keine Kunden.» In einem kleinen Laden in der Altstadt verkaufte Flury seine ersten Bio-Gewürze an Touristen. Doch sein Ziel war immer der europäische Markt. Unzählige Anrufe, Meetings und Messebesuche folgten, um Gleichgesinnte zu finden. Unternehmen, denen die soziale Situation der Kleinbauern am Herzen liegt.
Gleichzeitig lernt Flury die dortige Sprache, baut sein Netzwerk auf Sansibar aus und besucht die Bauernfamilien auf ihren Feldern. Anders als sogenannte Spot-Buyers, die den Bauern die Ernte zu Minimalpreisen vor Ort abkaufen, wollte der Schweizer Jungunternehmer mit den Bauern zusammenarbeiten.
Täglicher Austausch mit den Bauernfamilien
«Wir sind ein langfristiger Partner», sagt Flury. Er und sein Team von 1001 Organic unterstützen die Bauern in allen Facetten des Gewürzanbaus. Es geht um Schulungen im Bereich Anbau, Verarbeitung, Zertifizierung und Hygienestandards. Man stehe täglich im Austausch mit den Bauern. Das unterscheide 1001 Organic von anderen Gewürzhändlern. Mittlerweile arbeitet die Firma mit mehreren hundert Bauernfamilien zusammen, Tendenz steigend.
«Wir unterhalten eine enge und familiäre Beziehung zu unseren Bauern», sagt Flury. Er kennt die Familien, isst mit ihnen und hilft ihnen auch im Privatleben – beispielsweise, wenn er ihnen die Schulgebühren für die Kinder vorschiesst. So konnte der 33-Jährige das Vertrauen der Kleinbauern gewinnen, sie für die biologische Anbau- sowie Verarbeitungsstandards motivieren und die Qualität der Gewürze steigern.

Diese ist so gut, dass Spitzenköche in Europa und Nordamerika auf seine prämierten Gewürze aufmerksam wurden. Flury hat diese immer wieder an Gewürzmessen vorgestellt – mit Erfolg. Mittlerweile zählt er globale Unternehmen wie Jägermeister zu seiner Kundschaft. Diese schätzten einerseits die hohe Qualität der Produkte, andererseits aber auch die nachhaltige Produktion. Flury sagt: «Unsere Kunden sind bedacht und legen grossen Wert auf die Nachhaltigkeit.»
Das Momentum aufrechterhalten
Daneben baut 1001 Organic auch seinen Webshop aus, um die letzte Lücke in der Lieferkette zwischen den Gewürzwäldern Sansibars und den Schweizer Privathaushalten zu schliessen. Damit soll die Abhängigkeit von europäischen Handelsfirmen minimiert werden. «Je näher ich an den Konsumenten komme, desto grösser ist der Social Impact», sagt Flury. So könne er die Qualität und Frische kontrollieren sowie die Bauern in Sansibar an der europäischen Wertschöpfung teilhaben lassen.

Er wolle das Momentum aufrechterhalten, das seit der Ausstrahlung des SRF-Dokfilms besteht. Um der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden, setzt 1001 Organic nicht auf eine effizientere Produktion, sondern auf die Zusammenarbeit mit zusätzlichen Kleinbauern und der Erschliessung weiterer Anbaugebiete – beispielsweise in den Nebelwäldern des tansanischen Festlandes.
«Da sind wir noch am Anfang», sagt der gelernte Jurist. Der nachhaltige Anbau in den natürlichen Mischwäldern sei eine zentrale Umweltstrategie von 1001 Organic. Das sei zwar ineffizient, schütze aber riesige Waldflächen, so der Hägendörfer.
In Tansania finde gerade eine landwirtschaftliche Revolution statt. Immer mehr Pestizide und Dünger würden eingesetzt, um die Produktion zu steigern. Flury ist das ein Dorn im Auge: «Wir wollen die Fehler von Europa nicht wiederholen und das Grundwasser verseuchen.» Darum betreibt er viel Aufklärungsarbeit bei den Bauern und Behörden, um nachhaltige Anbaumethoden zu fördern. Schliesslich war Flurys Gewürzhandel der erste Betrieb auf Sansibar mit Bio-Zertifikat.
Schoggi und Fondue gegen Heimweh
Flury hat weiter grosse Pläne für den Gewürzhandel. Neben dem Steigern der Produktion soll auch ein neues Lager und ein Verarbeitungscenter gebaut werden. Das langfristige Ziel ist, die komplette Wertschöpfung nach Sansibar zu holen.
Aktuell werden gewisse Produkte noch in der Schweiz in geschützten Institutionen und Stiftungen abgepackt. In spätestens fünf Jahren sollen alle Arbeitsschritte am Ursprung stattfinden: «Das ist die Entwicklungshilfe, an die ich glaube. Nachhaltig und trotzdem wirtschaftsorientiert.»
Flurys Reise in Ostafrika ist noch lange nicht abgeschlossen – auch wenn er hin und wieder Heimweh verspürt. Sein Rezept dagegen? «Wir haben immer Schoggi und Fondue im Kühlschrank, das ist unser Soul-Food», sagt der Hägendörfer. Mittlerweile fühlt er sich aber mehr als zu Hause in Tansania.
Dabei hat auch seine Ehefrau Saphira von Moos grossen Anteil. Sie hat ihren Partner von Anfang an begleitet. «Ich bin unglaublich dankbar, dass Saphira so unterstützend und flexibel ist», sagt Flury. Vor knapp vier Jahren haben die beiden in Tansania geheiratet und kürzlich Familienzuwachs bekommen. Von Moos arbeitet in der Geschäftsleitung der eigenen Brauerei.
Mit der Geburt des Kindes rückt natürlich das Thema Familie ins Zentrum. 6000 Kilometer trennen das Ehepaar in Tansania von ihren Familien in der Schweiz. Dank moderner Kommunikationsformen und einer Zeitverschiebung von lediglich einer Stunde ist die Distanz leicht überbrückbar – aber eben nur virtuell. «Unsere Familien sind sehr bemüht, regelmässig vorbeizukommen», sagt Flury, dessen Familie weiterhin in der Region Olten wohnt.
Gewürze nun auch in Olten erhältlich
Mittlerweile werden die Gewürze von 1001 Organic auch in Olten verkauft. Die «Marktecke» an der Hauptgasse hat Zimt, Pfeffer, Masala sowie Vanilleessenz und Vanilleschoten von Raphael Flury im Regal stehen.
Flurys Mutter ist Kundin des Ladens und informierte die Betreibenden bereits früh über das Projekt ihres Sohnes. Seit dem Erscheinen des SRF-Doks seien sie ausserdem von mehreren Personen angefragt worden, ob sie die entsprechenden Gewürze im Angebot hätten. Seit diese im Online-shop verfügbar sind, stehen sie auch in den Regalen der Marktecke. Die Gewürze sind gefragt und verkauften sich in den ersten Wochen bereits gut. Auch zur Freude der ostafrikanischen Kleinbauern, die davon profitieren.






Schreibe einen Kommentar